Unser Besuch im Onsen oder das zweite Highlight schon in der ersten Woche

Nun stand es also an, das komplette Kontrastprogramm zur Großstadt: Wir fuhren mit dem Shinkansen und Regionalzügen auf die sehr ländliche Halbinsel Izu, etwa zwei Stunden von Tokyo entfernt in ein sogenannten Ryokan, ein Hotel mit eigenem Onsen, einer traditionellen heißen Quelle, für die Japan berühmt ist. Fujiyoshi ist einem Kritiker zufolge der fünftbeste Onsen in ganz Japan!

Wir kamen um kurz nach halb drei an, wo wir direkt mit der Limousine abgeholt und direkt bis vor unser „Zimmer“ gefahren wurden. Zimmer wäre hier zu wenig, wo wir hier deutlich mehr Platz als in Tokyo hatten. Unsere Wohnung bestand aus zwei traditionellen Zimmern mit Tatami-Boden, Balkon mit Meerblick, Washlet-Toilette und Bad. Ach ja, und unserem eigenen kleinen Onsen-Becken! Die Managerin des Hotels erklärte uns herrlich liebevoll die Gepflogenheiten vor Ort, woraufhiin wir in japanische Yukata, ein einfacherer Kimono, geschlüpft sind. Sie dienten uns als ausschließliche Kleidung für den gesamten Aufenthalt, also in der Wohnung, beim Essen im Speisesaal, als Bademantel im Onsen und als Schlafanzug in der Nacht. Wir waren gespannt wie ein Flitzebogen, alleine für das Zimmer war es die Reise wert!

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Da das Wetter schon den ganzen Tag regnerisch und überaus unfreundlich war, können wir es kaum erwarten, uns endlich in den Quellen durchkochen zu lassen. Doch japanische Badekultur unterscheidet sich grundelgend von unserer: Man badet nicht um sich zu säubern, sondern erledigt das sehr gründlich vor dem Onsen, damit dessen Wasser völlig ungetrübt bleibt. Es wird nicht wie in Deutschland gechlort und im Kreislaufsystem gereinigt, sondern fließt langsam durch. Das Wasser muss aus einer natürlichen Quelle stammmen, ist reich an Mineralien und wird meist eher abgekühlt als aufgewärmt, bleibt aber dennoch deutlich wärmer als in Deutschland üblich, meist zwischen 40° und 50°. Gewöhnlich sind Onsen geschlechtergetrennt, aber das wollten wir nicht und haben diesen Onsen ausgewählt, der für Gruppen und Familien jeweils mehrere kleinere Becken bietet, die man bei Benutzung auf „besetzt“ stellt und dann jeweils für sich hat. Sicherlich haben wir trotz aller Bemühungen gegen allerlei Sitten verstoßen, was so aber zum Glück unter uns hier bleibt. Wir konnten sogar ein paar Fotos für hierher schießen 😉
Endlich im Onsen selbst eingetaucht, werden wir ziemlich schnell gar und müssen uns an der Luft und im Regen abkühlen (die Onsen sind alle außen dort, aber mehr oder weniger überbaut). Es ist ein unglaublich intensives Erlebnis und für uns sehr wohltuend. Erst da merken wir, wie sehr uns die Reise und die letzten tollen aber anstrengenden Tage in den Knochen stecken…

Essenzeit! Um 18 Uhr erwartet uns ein umfangreiches Sashimi-Abendessen. Um eines vorneweg zu nehmen, an der Qualität gibt es überhaupt nichts auszusetzen, aber unsere deutschen Mägen sind doch bei der ein oder anderen Delikatesse überfordert – überspitzt gesagt: Dschungelcamp lässt grüßen!
Für uns vier wird eine große Platte mit klassischem Sashimi serviert, Nördlicher Schnapper (Red Snapper), zweierlei Thunfisch, Oktopus, Tintenfisch und Muscheln liegen herrlich angerichtet vor uns. Innerhalb von kurzer Zeit gesellen sich weitere kleine Tellerchen und Platten dazu, darunter leckeres Tempura oder wieder Schnapper, dieses Mal aber gekocht. Dazu guter Oolong-Tee und edler und kaltem(!) Sake.

Doch was es in sich hat, das sind die Vorpseisen: Gehörnte Turbanschnecke, diverse Würmer, eine Suppe aus uns nicht bekannten Zutaten und unser persönlicher Favorit, Seegras mit einer wunderbar schleimigen Konsistenz, sodass wir wohl oder übel einiges liegen lassen müssen. Die Managerin, die uns bedient, nimmt es gelassen – wir waren bestimmt nicht die ersten hier, die solches Essen nicht kennen..

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Nach diesem für uns sehr spannenden Essen, das sich über zwei Stunden hinzieht, geht es zum nächsten der acht Onsen. Hier erwartet uns nicht nur ein kleines Becken zum knien, sondern zunächst zwei große Blumentöpfe, randvoll mit h
eißem Quellwasser, davon einer mit angenehm weniger heißen Temperatur, sondern auch ein größeres Becken zum gemütlichen Ausbreiten.
Zurück auf dem Zimmer gibt es im TV eine Quizshow zum Kanji-Raten, eine sehr befremdliche Vorstellung, wenn Japander ihre eigenen Wörter erkenn und erraten müssen, aber sehr unterhaltsam für unsere japanisch-lernenden Mädels! Der Abend klingt ruhig aus, kurz vor dem Schlafen wird nochmal der eigene kleine Onsen benutzt und dann ab in den Futon.

Um 8 Uhr gibt es „Frühstück“. Was am Abend begonnen hatte, wird nun fortgeführt: Kunstvoll zubereitete Meerestiere werden uns da serviert, aber unsere Mägen reagieren eher verhalten auf die neuerliche Herausforderung. Die Schnecken und Muscheln werden dieses Mal direkt bei uns auf dem Tisch gegrillt, genauso wie getrockneter Fisch. Letzterer entpuppt sich als für uns alle sehr lecker, ganz im Gegensatz zu der Schnecke. Eine S
ppe mit Krebsteilen überforter uns alle. Die Brühe ist lecker, aber was sollen wir mit dem Krebs anfangen? Da ist doch bestimmt irgendwo leckeres Fleisch versteckt und wir sind zu blöd, da ran zu kommen!

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Nur michiru_kaioh_sketch_by_melinel-250x250, unser eiserner Magen, wird bei beiden Mahlzeiten wirklich satt, der Rest probiert sich durch und jeder findet den ein oder anderen Happen, der dann umso besser schmeckt.

Ein letztes Mal geht es in den großen Onsen, der uns nun bei strahlendem Sonnenschein erst richtig den Ausblick auf den Pazifik enthüllt – da will man doch glatt noch ein paar Tage dranhängen…

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Wir können es mit starkem Nachdruck nur jedem Empfehlen, sich so eine Gelegenheit nicht entgehen zu lassen, sollte sie sich bieten! Es war ein unglaublich schönes Erlebnis und sehr wohltuend 🙂

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